Ein gutes Leben: Fragen an Epikur

03.05.2021

Was macht ein gutes Leben aus? Wonach streben wir Menschen und gibt es tatsächlich den Schlüssel zum ewigen Glück?

Über das gute Leben haben sich Philosophen aller Zeiten ebenfalls viele Gedanken gemacht. Sind es Einsicht und Wissen, die den Menschen glücklich werden lassen oder ist es doch das Stillen der Lüste. Kann Denken und Sittlichkeit dem Menschen zu seinem Glück verhelfen? Ein gerechtes und friedliches Leben soll das Ziel der Menschheit sein. Vor der Psychologie war die Philosophie die Wissenschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, eine Art Lebensratgeber für die Menschen zu entwickeln. 

Die Moralphilosophie und die Ethik waren die Disziplinen, bei denen es darum ging, den rechten Weg für den Mensch zu finden.

"Was interessiert es mich, ob das Seiende aus Atomen oder unteilbaren Teilchen, aus Feuer oder Erde besteht? Genügt es nicht, das Wesen des Guten und Bösen und die Grenzen unserer Wünsche und Abneigungen und auch unseres Wollens und Nichtwollens kennenzulernen und nach dieser Richtschnur unser Leben einzurichten, aber die Dinge, die zu hoch für uns sind, sein zu lassen?" - Epiktet


Epiktet, welcher ein wichtiger Vertreter der stoischen Schule war, legt mit dieser Aussage bei einem seiner Lehrgespräche, die in Form von Selbstinterviews gehalten worden sind, nahe, dass er der Moralphilosophie einen höheren Stellenwert zuschreibt, als der Ontologie. Ihm ist es wichtig, dass der Mensch sich mit dem Wesen auseinandersetzt, bevor er beginnt nach den Sternen zu greifen und alles um sich herum in Teilchen zu zerlegen, welcher er untersuchen kann. 

Man könnte sagen, er war einer der ersten Psychologen, wenn er meint, dass der Mensch den Blick auf sich wenden soll um besser verstehen zu können. Hier sind wir wieder bei der Ich-Schau oder Selbst-Schau, wie ich es in dieser Arbeit nenne, um das aktuelle Phänomen zu beschreiben. Epiktet lebte ungefähr 50-130 nach Chr. und spricht in diesem Selbstinterview Probleme an, die aktueller nicht sein können.

Wir leben zwar immer noch in einer Welt, die anhand von Forschung immer weiter und höher zu greifen versucht, doch gleichzeitig haben wir den Blick auch auf uns gerichtet. Jährlich werden Milliarden in die Forschung investiert, um dem Wesen des Seins auf die Spuren zu kommen. Wir überschreiten immer wieder unsere Grenzen und schaffen dadurch eine Vielfalt an neuen Möglichkeiten. 

Der Mensch ist ein sich immer wieder neu erschaffendes Wesen, das den Fortschritt sucht und Hindernissen entgegen trotzt. Nun sind die Frage nach dem Sein und die Forschung des Seienden luxuriöse Angelegenheiten, denen wir uns trotz des großen Aufwands und der hohen Kosten stellen. Die Gentechnologie und die Neuroenhancement-Forschung sind dabei recht weit oben an der Spitze der Elitenforschungen. Wir stecken so viel Zeit und Energie in ein Feld, von dem wir noch nicht recht wissen, wohin es uns überhaupt bringt. Um auf die Frage von Epiktet zurückzukommen, wäre es für uns nicht auch besser, zuerst die Grenzen unseres Wollens und unserer Wünsche zu erkennen, bevor wir wie blind in eine Richtung steuern, welche uns mehr Schaden als Nutzen bringen könnte?

Wir haben bereits begonnen den Blick auf uns zu richten, jedoch achten wir dabei vielleicht auf die falschen Dinge. Wenn Schönheit, Fitness und Leistungsfähigkeit die stärksten Merkmale eines Menschen geworden sind, haben wir dabei nicht übersehen, was in unserem Wesen steckt? Das Gute und das Böse gehören zu unserem Wesen dazu, wir vereinen Liebe und Hass in uns und handeln nach diesen Maximen.

Wir sind heutzutage im Stande fast jeden noch so absurden Wunsch nachzugehen und ihn Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei vergessen wir jedoch oft, dass ein Wunsch nicht nur Glück mit sich bringen kann, wenn er einmal erfüllt wurde. Bevor wir beginnen uns anhand der Technik eine Welt zu erschaffen, welche einer Utopie nahekommt, in der der optimierte Mensch das Sagen hat, müssen wir einen Moment inne halten und uns fragen, ob wir nicht zu weit gehen, wenn wir unsere Natur überschreiten und uns mit diversen Gadgets ausstatten. 

Wichtiger denn je ist hier die Fragestellung, was diese rasante Veränderung mit unserem Wesen macht? Macht das grenzenlose Ausleben unserer Wünsche und Ideen uns zu den besseren Menschen? Ist der Mensch, erst dann ein guter Mensch, wenn er sich perfekt optimiert hat?